Versagt Deutschland in der Software Entwicklung?

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Dieser kritische Kommentar untersucht, warum Deutschland trotz seiner Ingenieurskunst in der modernen Softwareentwicklung hinterherhinkt. Entdecken Sie die Rolle von Vergütungsstrukturen und Innovationskraft und diskutieren Sie mit, wie Deutschland seine Position im globalen IT-Markt verbessern kann. Warum ich der Meinung bin, dass dies zutrifft, erläutert dieser Artikel.

Deutschlands Rolle als Wirtschaftsriese und Softwareentwickler

Deutschland zählt zu den Wirtschaftsriesen dieser Welt. Angesichts seiner Größe ist dies überraschend. Die zentrale Lage im Herzen Europas sowie die deutschen Tugenden bieten jedoch plausible Erklärungsansätze. Obwohl diese Merkmale traditionell eher die Produktion von Gütern begünstigen, zeigt das Beispiel SAP, dass auch ein Softwaregigant aus der deutschen Kultur hervorgehen kann. SAP allein trägt mit 3,7% zum Gesamtumsatz der 45 führenden Softwareunternehmen bei. Weitere deutsche Unternehmen findet man in dieser Liste jedoch nicht.

Unter Berücksichtigung der verschiedenen Nationsgrößen hätte Deutschland mit SAP sogar einen Einwohnerbereinigten Anteil von 14,7% an den Top 45 (USA 333 Millionen Einwohner, Deutschland 84 Millionen). Es ist also möglich in Deutschland ein Software Unternehmen zu führen, aber kann man es noch auf- und ausbauen? Quelle: Wikipedia

Top 45 Software-Unternehmen weltweit- Prozentualer Anteil der Umsätze in Mrd $ nach Nation - 2023

SAP könnte in dieser Hinsicht eine Ausnahme sein. Es wurde auf der Basis alter Computertechnologien entwickelt und hatte viel Zeit zur Weiterentwicklung. Dennoch stammt das Unternehmen aus dem Jahr 1972 und spiegelt daher nicht die aktuellen Rahmenbedingungen für Software-Unternehmen in Deutschland wieder. Dieser Erfolg sollte sich dennoch theoretisch wiederholen lassen.

Um die Missstände in der deutschen Softwarebranche zu verstehen, müssen wir zwei Hauptthemen betrachten: die Vergütung beziehungsweise Belohnung der Arbeit von Mitarbeitern und die Methodik der Arbeit an IT-Systemen.

Unternehmenskultur und finanzielle Anerkennung - es geht auch ums Geld

In Gesprächen mit Unternehmern fällt der Wunsch auf, Mitarbeiter zu motivieren, wobei behauptet wird, Geld spiele eine untergeordnete Rolle. Ich betrachte diese Sichtweise kritisch. Das Gehalt ist integraler Bestandteil der Unternehmenskultur und symbolisiert die Wertschätzung für die Arbeit der Mitarbeiter. Häufig empfinden Mitarbeiter die Erwartung, ohne finanzielle Anreize mehr von Ihren Ideen preiszugeben, als ungerecht:

„Es wird erwartet, dass Ideen geliefert werden, ohne dass eine finanzielle Anerkennung erfolgt.“

Diese Praxis kann bei Mitarbeitern zu einer deutlichen Zurückhaltung führen. Sie sehen ihre Ideen als entwertet an, da sie persönlich keine Anerkennung dafür erhalten, obwohl diese Ideen für das Unternehmen von großem Wert sind. Diese offensichtliche Diskrepanz schafft ein Klima der Unglaubwürdigkeit, welche sich negativ auf die Mitarbeitermotivation auswirkt und ihre Bereitschaft zur vollen Teilnahme hemmt. Während in der Produktentwicklung Patentbeteiligungen Anreize schaffen, fehlen solche monetären Anreize in der Softwareentwicklung. Somit wird das Gehalt zu einem noch wichtigeren Motivationsfaktor.

Der Internationale Vergleich - Was Deutschland von den USA und Israel lernen kann

Geht es denn überhaupt besser? Offensichtlich. Nicht umsonst dominieren die USA das Software-Geschäft. Einer der großen Treiber ist sicherlich die sogenannte "Stock based Compensation", denn Start-Ups und wachsende Unternehmen haben kaum Geld zu verschenken. Sie benötigen ihr Kapital für Wachstum und zahlen dadurch schlechte Gehälter. Als Kompensation geben sie Aktienoptionen aus, die den Mitarbeitern die Hoffnung darauf geben entlohnt zu werden, wenn das Unternehmen erfolgreich und voll entwickelt ist. Doch genau dort beginnt unser Problem.

Aktienoptionen stellen in Deutschland eine Herausforderung dar, die vor allem auf ihre steuerliche Komplexität und geringe Attraktivität zurückzuführen ist. Im deutschen System werden Aktienoptionen als geldwerter Vorteil betrachtet und zum Zeitpunkt der Ausübung besteuert. Dies kann zu erheblichen steuerlichen Belastungen führen, bevor überhaupt reale Gewinne durch einen Verkauf der Aktien realisiert werden. Diese Vorversteuerung schreckt sowohl Start-ups als auch Mitarbeiter ab, da sie das Risiko finanzieller Einbußen ohne sofortige Liquidität erhöht.

Im Gegensatz dazu bieten die USA durch das sogenannte „Incentive Stock Option“-Programm (ISO) steuerliche Vorteile, die erst bei der Veräußerung der Aktien greifen. Dieses Modell ermöglicht es Mitarbeitern, Aktienoptionen steuerfrei auszuüben, solange sie die Aktien für mindestens ein Jahr nach der Ausübung und zwei Jahre nach der Erteilung der Optionen halten. Die daraus resultierenden Kapitalgewinne werden zu einem niedrigeren Steuersatz als normales Einkommen versteuert. Diese Regelung fördert nicht nur die langfristige Bindung von Mitarbeitern, sondern auch deren Engagement, da sie direkt am Unternehmenserfolg beteiligt sind und ihre Belohnung mit dem Wert des Unternehmens wächst.

In Israel wird die Start-up-Kultur durch staatliche Programme und Steuererleichterungen massiv unterstützt. Diese Maßnahmen umfassen nicht nur Steuervergünstigungen für Start-ups selbst, sondern auch für Investoren, die in technologische Innovationen investieren. Zudem erleichtern flexible Arbeitsgesetze und staatlich geförderte Innovationsgrants den Unternehmen das Wachstum und die Skalierung. Trotz dieser umfassenden Unterstützung sind die Erfolge teilweise begrenzt, da die Start-Ups gerne verkauft werden oder auf den US Markt umsiedeln. Dies hängt mit der geringen Größe des israelischen Marktes zusammen.

Schlüssel zur Förderung der Innovationskraft

Es wird also die Tatsache ausgenutzt, dass es vielen an Kapital mangelt, ihnen wichtige Fähigkeiten fehlen oder sie keine inspirierende Wirkung auf andere Mitarbeiter entwickeln können. Die sogenannte Empowerment-Strategie mancher HR-Abteilungen zielt darauf ab, die Anerkennungs-Bedürfnisse zu stillen, ohne die finanziellen und prozessualen Vorteile dieser Ideen zu honorieren. Diese Herangehensweise stößt bei den Mitarbeitern zunehmend auf Ablehnung und treibt die Unternehmen in die Verzweiflung. Es entsteht eine Front zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, wo keine sein darf. Die Arbeitsqualität und -motivation sinken, während Forderungen nach weniger Arbeit und mehr Umverteilung lauter werden. Aus der Unfähigkeit heraus, diese Ideen eigenständig zu initiieren oder umzusetzen, werden sie oft zurückgehalten und bleiben ungenutzt. Dies führt zu einer minimalistischen Arbeitshaltung. Es wird zwar gearbeitet, aber nicht zu viel preisgegeben.

„Man arbeitet ja schließlich nicht mit voller Kraft für die Taschen Anderer.“

Dieser Zustand gefährdet unsere gesellschaftliche Entwicklung. Alle Ideen, ob groß oder klein, sind in der Softwareentwicklung notwendig. Software besteht aus zahlreichen Komponenten, was es Projektleitern oder Produkt Ownern fast unmöglich macht, den Überblick zu behalten. Die Initiative der Mitarbeiter ist der Treibstoff für die agile Entwicklung und verbessert daher eklatant die Softwarequalität. Sie verwandelt das Konzept von einer theoretischen Idee in ein praktisches Werkzeug. Wenn alle Mitarbeiter eine gemeinsame Vision verfolgen und auf deren Verwirklichung hinarbeiten, kann die Qualität des Ergebnisses erheblich gesteigert werden. (Basis: Agile Software Development, Principles, Patterns, and Practices - Robert Martin)

Verantwortung fördern, Chancen maximieren - Ein Modell für den Wandel in der deutschen Softwareindustrie

Bei CoreSolve haben wir die Herausforderungen der Branche tiefgehend analysiert und daraufhin unsere Unternehmensstruktur entwickelt. Wir stärken die Eigenverantwortung und Innovationskraft unserer Mitarbeiter durch eine gezielte Einbindung in Entscheidungsprozesse und frühzeitige Führungsverantwortung. Unsere Unternehmenskultur ist von Transparenz und offener Kommunikation geprägt und bietet allen Mitarbeitern die Möglichkeit der Investition. Als Pioniere in unserem Feld erkennen wir, dass tiefgreifender Wandel selektive Impulse erfordert. Wir setzen daher auf das Know-How unserer Mitarbeiter und auf ihren Willen an einem Konzept mitzuarbeiten. (Basis: MCKinsex)

Erfolgreiches Change Management setzt die Aktivierung von Multiplikatoren voraus, die den Wandel vorantreiben und unsere Reichweite vergrößern. Wir sind überzeugt, dass diese Transformation in Deutschland essenziell ist, um global wettbewerbsfähig zu bleiben, und wir sind bestrebt, diese Multiplikatoren zu formen.

#Sharitocracy und Deutschlands Zukunft in der IT

In unserer beruflichen Laufbahn haben wir zahlreiche Unternehmen erlebt, die proaktiv Herausforderungen identifiziert und notwendige Anpassungen vorgenommen haben. Bei CoreSolve ist unser Engagement für Veränderung tief verwurzelt, gestärkt durch absolut positive Erfahrungen in der Vergangenheit. Wir sind entschlossen, diese Überzeugungen in ein praktisches Modell zu überführen. Unter den Hashtags #Sharitocracy und #Sharitocratize laden wir euch ein, uns zu folgen, aktiv zu diskutieren, Feedback zu geben und direkt teilzunehmen. Sharitocracy verbindet die Prinzipien des Teilens (Share) und der Verdienstgesellschaft (Meritocracy), wobei letzterer Begriff die Bedeutung von Leistung und deren angemessene Belohnung betont. Unser Ansatz zielt darauf ab, Leistung durch gerechten Verdienst, Verantwortung und Anerkennung zu fördern.

Was meint ihr?

Welche Erfahrungen habt ihr mit Innovation in der deutschen Softwareindustrie gemacht und wie schätzt ihr Deutschlands Position im globalen IT-Markt ein? Warum gibt es keine nennenswerten Top 45 IT-Unternehmen abgesehen von SAP und was müsste sich verändern, damit es wieder welche gibt?

Autor
Michael Hauck
Gesellschafter und Projektleiter
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